Freitag, 2. März 2007

Kamele im Nebel

Das hellbraune Fell war nass und an den langen Wimpern hingen Tautropfen. Wiederkaeuend standen drei Kamele in der Wueste und wunderten sich darueber, wie wenig sie sehen konnten. Nach 20 Metern war die Welt zu Ende. Nebel in der Wueste. Vor den Kamelen standen zwei Europaeer, ein Deutscher und ein Norweger, die das Wetterphaenomen des Nebels gut aus ihrer eigenen Heimat kannten, es aber hier in der Wueste Thar, am nordwestlichen Zipfel Indiens in der Naehe zu Pakistan, nicht erwartet hatten. Die Wueste ist heiss und trocken, dachten sie. Wie man sich doch irren kann.
Schon am Tag zuvor waren interesannte mittel- und nordeuropaeische Wetterphaenomene zu beobachten. Da war zum Beispiel die interessante Erscheinungsform des Regens. Wir lagerten uns gerade zum Mittag unter einem Baum, die beiden Treiber hatten ein Feuer entfacht und begannen mit Kochen, als die ersten schweren Tropfen fielen. In weiser Vorraussicht und in hinblick auf den schwarzen Himmel hatten wir zuvor schon ein kleines Zelt aufgebaut. Alles Wichtige wurde hier verstaut. Die beiden Treiber, Jan-Ture aus Norwegen und ich standen unter dem schuetterem Baum ... als es zu hageln anfing. Donner grollte. Blitze zuckten. Die Treiber machten missmutige Gesichter. Die Kamele hockten am Boden, kaeuten wieder und blieben unglaublich cool.
Nach einer halben Stunde war der Regen vorbei und wir ziemlich nass. Auf unseren Kamelen ritten wir zu unserem Nachtlager in den Duenen - direkt auf einen Regenbogen zu.

Nacht
Es ist der zweite Abend in der Wueste. Jan-Ture ist schon am fruehen Nachmittag mit einem der beiden Treiber nach Jaisalmer zurueckgeritten. Ich bleibe eine Nacht und einen Tag laenger in der Wueste, gemeinsam mit Daniel, dem Treiber, und den beiden Kamelen Rocket und Celia. Die Sonne ist gerade hinter den Duenen als roter Ball verschwunden. Daniel sitzt am Lagerfeuer und kocht das Abendessen. Ein paar andere Kameltreiber sind zu Besuch, unterhalten sich laut in Merwati, der hier ueblichen Sprache.
Spaeter liege ich unter zwei speckigen, nach Kamel riechenden dafuer aber sehr dicken Steppdecken im Sand. Ueber mir der riesige klare Wuestenhimmel und der volle Mond, der mir wie ein Scheinwerfer direkt ins Gesicht scheint. Das einzige Geraeusch weit und breit ist das Wiederkaeuen der Kamele, das klingt wie das staendige Zerkauen von hartem Zwieback: "Kropp, kropp, kropp!"
Ich schlafe ein - und erwache am folgenden Morgen, zwei Minuten vor Sonnenaufgang.

Celia
Anfangs hatten wir drei Kamele: Rocket, Tiger und Celia. Letztere ist eine sieben Jahre alte und sehr eigenwillige Kameldame. Ich muss es wissen, denn ich sass auf ihr. Am Anfang war alles gut. Alle drei Kamele waren hintereinander angebunden und folgten Tiger, auf dem die beiden Treiber sassen. Aber ich wollte selbst reiten. Also reichte mir Daniel die Zuegel mit der Bemerkung: "Rechts ist rechts, links ist links und anziehen heisst Stopp!"
Kaum hatte ich die Zuegel in der Hand, ging eine erstaunliche Wandlung in Celia vor. Sie trabte einfach los, egal, wie ich die Zuegel hielt. Ich zog die Zuegel an, um sie zum Stoppen zu bringen, aber sie drehte sich im Kreis und bockte. Zum Glueck sass ich fest im Sattel. Die folgende halbe Stunde gelang mir recht und schlecht und es passierte nur deshalb nichts, weil ich die Zuegel locker und Celia ihren Willen liess.
Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, allein auf Celia zu reiten und sprach am letzten Abend mit Daniel darueber. Er meinte, es sei sehr wichtig dem Kamel deutlich verstehen zu geben, dass man der Boss ist. Und wenn sie nicht hoert, dann setzt es was mit den Zuegeln. Normalerweise reicht auch schon eine Andeutung von Bestrafung.
Im Dunkeln ging ich rueber zu Celia, taetschelte ihr den Hals und redete mit ihr. Ihr Kommentar war ein gelegentliches, langgezogenes "Booooaaaark!"
Am naechsten Morgen sass ich wieder auf Celia, Daniel gab mir die Zugel, erklaerte mir noch mal genau, wie ich sie zu halten habe - und dann war alles ganz einfach. Ich zog die Zuegel nach rechts, sie drehte nach rechts, nach links nach links, nur mit dem Anhalten klappte es noch nicht so richtig. Es war nicht die hohe Kunst des Kamelreitens, aber es funktionierte.
Und wenn ich mit der Zunge schnalste, ihr mit dem Zuegel leichte Klapse auf die Seiten gab, dann ritten wir im Galopp durch die Wueste, dem Horizont entgegen.

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Gestern abend kam ich muede aber gluecklich wieder in Jaisalmer an. Zum Glueck hatten wir nur am ersten tag schlechtes Wetter. Die anderen beidet Tage waren so, wie man es in der Wueste erwartet.
Heute und morgen ist Holi. Deswegen bleibe ich bis Montag in Jaisalmer und fahre am Montagnachmittag direkt nach Delhi. Und am Mittwochfrueh geht es zurueck nach Leipzig.

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