Das hellbraune Fell war nass und an den langen Wimpern hingen Tautropfen. Wiederkaeuend standen drei Kamele in der Wueste und wunderten sich darueber, wie wenig sie sehen konnten. Nach 20 Metern war die Welt zu Ende. Nebel in der Wueste. Vor den Kamelen standen zwei Europaeer, ein Deutscher und ein Norweger, die das Wetterphaenomen des Nebels gut aus ihrer eigenen Heimat kannten, es aber hier in der Wueste Thar, am nordwestlichen Zipfel Indiens in der Naehe zu Pakistan, nicht erwartet hatten. Die Wueste ist heiss und trocken, dachten sie. Wie man sich doch irren kann.
Schon am Tag zuvor waren interesannte mittel- und nordeuropaeische Wetterphaenomene zu beobachten. Da war zum Beispiel die interessante Erscheinungsform des Regens. Wir lagerten uns gerade zum Mittag unter einem Baum, die beiden Treiber hatten ein Feuer entfacht und begannen mit Kochen, als die ersten schweren Tropfen fielen. In weiser Vorraussicht und in hinblick auf den schwarzen Himmel hatten wir zuvor schon ein kleines Zelt aufgebaut. Alles Wichtige wurde hier verstaut. Die beiden Treiber, Jan-Ture aus Norwegen und ich standen unter dem schuetterem Baum ... als es zu hageln anfing. Donner grollte. Blitze zuckten. Die Treiber machten missmutige Gesichter. Die Kamele hockten am Boden, kaeuten wieder und blieben unglaublich cool.
Nach einer halben Stunde war der Regen vorbei und wir ziemlich nass. Auf unseren Kamelen ritten wir zu unserem Nachtlager in den Duenen - direkt auf einen Regenbogen zu.
Nacht
Es ist der zweite Abend in der Wueste. Jan-Ture ist schon am fruehen Nachmittag mit einem der beiden Treiber nach Jaisalmer zurueckgeritten. Ich bleibe eine Nacht und einen Tag laenger in der Wueste, gemeinsam mit Daniel, dem Treiber, und den beiden Kamelen Rocket und Celia. Die Sonne ist gerade hinter den Duenen als roter Ball verschwunden. Daniel sitzt am Lagerfeuer und kocht das Abendessen. Ein paar andere Kameltreiber sind zu Besuch, unterhalten sich laut in Merwati, der hier ueblichen Sprache.
Spaeter liege ich unter zwei speckigen, nach Kamel riechenden dafuer aber sehr dicken Steppdecken im Sand. Ueber mir der riesige klare Wuestenhimmel und der volle Mond, der mir wie ein Scheinwerfer direkt ins Gesicht scheint. Das einzige Geraeusch weit und breit ist das Wiederkaeuen der Kamele, das klingt wie das staendige Zerkauen von hartem Zwieback: "Kropp, kropp, kropp!"
Ich schlafe ein - und erwache am folgenden Morgen, zwei Minuten vor Sonnenaufgang.
Celia
Anfangs hatten wir drei Kamele: Rocket, Tiger und Celia. Letztere ist eine sieben Jahre alte und sehr eigenwillige Kameldame. Ich muss es wissen, denn ich sass auf ihr. Am Anfang war alles gut. Alle drei Kamele waren hintereinander angebunden und folgten Tiger, auf dem die beiden Treiber sassen. Aber ich wollte selbst reiten. Also reichte mir Daniel die Zuegel mit der Bemerkung: "Rechts ist rechts, links ist links und anziehen heisst Stopp!"
Kaum hatte ich die Zuegel in der Hand, ging eine erstaunliche Wandlung in Celia vor. Sie trabte einfach los, egal, wie ich die Zuegel hielt. Ich zog die Zuegel an, um sie zum Stoppen zu bringen, aber sie drehte sich im Kreis und bockte. Zum Glueck sass ich fest im Sattel. Die folgende halbe Stunde gelang mir recht und schlecht und es passierte nur deshalb nichts, weil ich die Zuegel locker und Celia ihren Willen liess.
Aber ich hatte mir in den Kopf gesetzt, allein auf Celia zu reiten und sprach am letzten Abend mit Daniel darueber. Er meinte, es sei sehr wichtig dem Kamel deutlich verstehen zu geben, dass man der Boss ist. Und wenn sie nicht hoert, dann setzt es was mit den Zuegeln. Normalerweise reicht auch schon eine Andeutung von Bestrafung.
Im Dunkeln ging ich rueber zu Celia, taetschelte ihr den Hals und redete mit ihr. Ihr Kommentar war ein gelegentliches, langgezogenes "Booooaaaark!"
Am naechsten Morgen sass ich wieder auf Celia, Daniel gab mir die Zugel, erklaerte mir noch mal genau, wie ich sie zu halten habe - und dann war alles ganz einfach. Ich zog die Zuegel nach rechts, sie drehte nach rechts, nach links nach links, nur mit dem Anhalten klappte es noch nicht so richtig. Es war nicht die hohe Kunst des Kamelreitens, aber es funktionierte.
Und wenn ich mit der Zunge schnalste, ihr mit dem Zuegel leichte Klapse auf die Seiten gab, dann ritten wir im Galopp durch die Wueste, dem Horizont entgegen.
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Gestern abend kam ich muede aber gluecklich wieder in Jaisalmer an. Zum Glueck hatten wir nur am ersten tag schlechtes Wetter. Die anderen beidet Tage waren so, wie man es in der Wueste erwartet.
Heute und morgen ist Holi. Deswegen bleibe ich bis Montag in Jaisalmer und fahre am Montagnachmittag direkt nach Delhi. Und am Mittwochfrueh geht es zurueck nach Leipzig.
Freitag, 2. März 2007
Montag, 26. Februar 2007
Die Omlettmacher am Uhrenturm
Der Uhrenturm (Clocktower) von Jodpur ist das Zentrum des Basars. Er sieht ein wenig aus wie das indische Pendant zu Big Ben. Rund um den Uhrenturm herrscht tagsueber buntes und lautes Treiben. Alles wird hier verkauft, und der Basar zieht sich weit in die engen Gassen hinein. Zwei Tore fuehren zum Platz um den Uhrenturm und an einem stehen tagein tagaus Ramkishan Gawlani auf der einen Seite des Tores und Vicky Chouhan auf der anderen. Beide betreiben das gleiche Geschaeft: sie sind Omlettmacher.
Was macht ein Omlettmacher? Na klar - Omletts, also Ruehrei mit Zutaten. Es gibt einen Grund, warum die Omletts von Ramkishan, einem aelteren Herren der, umringt von Stapeln von Eierpaletten, vor einem kleinen Ofen steht, einen grauen Nehru-Anzug traegt und sich die Haare mit Henna roetlich faerbt, Kultstatus besitzen: er wird im Allerweltsreisefuehrer "Lonely Planet" erwaehnt, was in riesigen Lettern ueber seinem Shop und (doppelt haelt besser) auch neben seinem Shop und ausserdem auch noch auf seinen Visitenkarten (in Indien haben vermutlich auch die Schuhputzer Visitenkarten) in grossen Lettern zu lesen ist. Jeder (fast jeder) Individualtourist (und die anderen auch) hat den "Lonely Planet" - und somit ist der Platz vor Ramkishans Laden, ein paar staubige Plastehocker, staendig gut besucht, die Touristen mampfen ihre Omletts mit Toast und beobachten den Meister bei der komplizierten Kunst des Omlettmachens.
Nur etwa drei Meter entfernt steht Vicky. Er ist jung, lustig und ebenfalls Omlettmacher. Sein Laden sieht fast genau so aus wie der der Konkurrenz. Doch seine staubigen Plastestuehle sind meist leer. Warum? Er steht nicht im "Lonely Planet". Lediglich ein eher unbedeutender japanischer Reisefuehrer hielt es fuer noetig, ihn zu erwaehnen. Das macht Vicky sehr traurig. Dabei schmecken seine Omletts mindestens genauso gut wie die von Ramkishan (hab ich selbst getestet).
Was sagt uns dass?
Was macht ein Omlettmacher? Na klar - Omletts, also Ruehrei mit Zutaten. Es gibt einen Grund, warum die Omletts von Ramkishan, einem aelteren Herren der, umringt von Stapeln von Eierpaletten, vor einem kleinen Ofen steht, einen grauen Nehru-Anzug traegt und sich die Haare mit Henna roetlich faerbt, Kultstatus besitzen: er wird im Allerweltsreisefuehrer "Lonely Planet" erwaehnt, was in riesigen Lettern ueber seinem Shop und (doppelt haelt besser) auch neben seinem Shop und ausserdem auch noch auf seinen Visitenkarten (in Indien haben vermutlich auch die Schuhputzer Visitenkarten) in grossen Lettern zu lesen ist. Jeder (fast jeder) Individualtourist (und die anderen auch) hat den "Lonely Planet" - und somit ist der Platz vor Ramkishans Laden, ein paar staubige Plastehocker, staendig gut besucht, die Touristen mampfen ihre Omletts mit Toast und beobachten den Meister bei der komplizierten Kunst des Omlettmachens.
Nur etwa drei Meter entfernt steht Vicky. Er ist jung, lustig und ebenfalls Omlettmacher. Sein Laden sieht fast genau so aus wie der der Konkurrenz. Doch seine staubigen Plastestuehle sind meist leer. Warum? Er steht nicht im "Lonely Planet". Lediglich ein eher unbedeutender japanischer Reisefuehrer hielt es fuer noetig, ihn zu erwaehnen. Das macht Vicky sehr traurig. Dabei schmecken seine Omletts mindestens genauso gut wie die von Ramkishan (hab ich selbst getestet).
Was sagt uns dass?
Brecht die Diktatur des "Lonely Planet"!
Entscheidet selbst, was gut ist!
Gebt Vicky eine Chance!
Entscheidet selbst, was gut ist!
Gebt Vicky eine Chance!
Sonntag, 25. Februar 2007
Geschichten aus Jodpur
Eins
Um einer Rikscha auszuweichen trete ich in einen riesigen Kuhfladen. Eine alte Frau in weissem Sari zeigt auf meinen Fuss und entbloesst lachend ihren letzten Zahn.
Zwei
Eine grosse Hochzeitsgesellschaft kommt mit viel Laerm die Strasse entlang. Sofort umringt mich eine Gruppe von Kindern die drohen, meine Kamera mit Haarspray zu bespruehen, wenn ich versuchen sollte zu fotografieren.
Drei
Ein verrueckter alter Bettler in schmutzigen weissen Sachen und Hornbrille kommt bruellend einen Bambusstock schwingend auf mich zu, aendert aber im letzten Moment die Richtung, den Kopf in den Nacken gelegt, den Stock gen Himmel gereckt, laut schreiend. Ein anderer Bettler sagt, ich solle das fotografieren.
Vier
Eine Frau mit strahlend rotem Sari sitzt im Eingang eines blaugetuenchten Hauses, laechelt und ist zufreiden mit sich und der Welt.
Fuenf
Ein Moslem auf einem Fahrrad erklaert mir ungefragt einen Weg, aber ich verstehe nicht wohin. Ich folge seinen Anweisungen und bin schliesslich da.
Um einer Rikscha auszuweichen trete ich in einen riesigen Kuhfladen. Eine alte Frau in weissem Sari zeigt auf meinen Fuss und entbloesst lachend ihren letzten Zahn.
Zwei
Eine grosse Hochzeitsgesellschaft kommt mit viel Laerm die Strasse entlang. Sofort umringt mich eine Gruppe von Kindern die drohen, meine Kamera mit Haarspray zu bespruehen, wenn ich versuchen sollte zu fotografieren.
Drei
Ein verrueckter alter Bettler in schmutzigen weissen Sachen und Hornbrille kommt bruellend einen Bambusstock schwingend auf mich zu, aendert aber im letzten Moment die Richtung, den Kopf in den Nacken gelegt, den Stock gen Himmel gereckt, laut schreiend. Ein anderer Bettler sagt, ich solle das fotografieren.
Vier
Eine Frau mit strahlend rotem Sari sitzt im Eingang eines blaugetuenchten Hauses, laechelt und ist zufreiden mit sich und der Welt.
Fuenf
Ein Moslem auf einem Fahrrad erklaert mir ungefragt einen Weg, aber ich verstehe nicht wohin. Ich folge seinen Anweisungen und bin schliesslich da.
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